Magento 2 Editionen: Magento Open Source und Adobe Commerce

Die Bandbreite von mittelkleinen Unternehmen bis zu großen Konzernen deckt Magento durch zwei Varianten („Editionen“) seines Produkts ab: die lizenzkostenfreie Version „Magento Open Source“ und die kostenpflichtige Version „Adobe Commerce„. Unterschiede ergeben sich im Funktionsumfang, der möglichen Art des Hostings und den Support-Levels von Magento.

Ich gebe hier meine ehrliche Meinung aus der Praxis, wann sich welche Variante eignet.

Magento Open Source

Open Source (ehemals „Magento Community Edition“) ist eine lizenzkostenfreie Ausgabe, welche die wichtigsten Funktionalitäten anbietet. Für viele Unternehmen ist diese Version bereits ausreichend. Auch Shops mit vielen zehntausend Produkten und mit Umsätzen im Millionenbereich können hier, je nach Anforderung, gut umgesetzt werden.

Sie können den Shop auf einem einzelnen Server betreiben, in einem Multi-Server-Setup oder in einer Cloud-Umgebung wie Amazon Web Services (AWS) oder der Google Cloud Platform. Sie suchen sich Ihren Hosting-Partner selbst. Man spricht hier von einer „On Premise“ Lösung.

Magento bietet für die Open Source Edition keinen Endkunden-Support. Sie können Fehler im Ticketsystem auf GitHub einmelden und Feature-Wünsche im Magento-Community-Forum im Bereich „Magento 2.x Feature Requests and Improvements“ vorschlagen.

Page Builder in Open Source!

Seit Magento 2.4.3 ist der CMS-Editor Page Builder endlich in der Open Source Edition enthalten. Sie benötigen dafür also keine Commerce-Version mehr!

Adobe Commerce

2021: Rebranding von „Magento Commerce“ zu „Adobe Commerce“

Im April 2021 kündigte Adobe an, das kommerzielle Produkt „Magento Commerce“ und seine Großkonzern-Ausbau-Stufe „Adobe Commerce Cloud“ zu konsolidieren und unter dem neuen Namen „Adobe Commerce“ zusammen zu fassen. Damit ist fast drei Jahre nach der Übernahme Magentos durch Adobe die Integration in die Adobe-Experience-Cloud-Business-Einheit abgeschlossen. Details finden sich im Ankündigungspost.

Der neue Name („Adobe Commerce“) und die alten Namen („Magento Commerce“, „Commerce Cloud Starter“, „Commerce Cloud Pro“, „Adobe Commerce Cloud“) sind auf der offiziellen Seite, den User- und Developer-Guides noch stark vermischt. Deswegen verwende ich hier bis auf Weiteres auch noch die alten Namen.

Commerce (ehemals „Magento Enterprise Edition“, „Magento Commerce“, „Magento Commerce Cloud Starter“, „Magento Commerce Cloud Pro“ und „Adobe Commerce Cloud“) setzt auf der lizenzkostenfreien Version auf und erweitert diese um Funktionen, die von größeren Unternehmen mit ambitionierten Plänen bzw. großen Datenmengen benötigt werden.

Die jährlichen Lizenzkosten werden pro Kunde verhandelt und sind von mehreren Parametern abhängig, unter anderem vom Umsatz, der Branche und der Dauer des Vertrags. Magento gibt die Kosten auf der Website aktuell (Stand Jänner 2021) mit „ab $1500 / Monat“ aus. Unserer Erfahrung nach lagen die Minimalkosten zuletzt etwas höher. Man muss also mit niedrigen bis mittleren fünfstelligen Lizenzkosten rechnen, die bei sehr hohen Umsätzen auch in den sechsstelligen Bereich gehen können.

Commerce-Features

Unterschiede in den Features finden Sie weiter unten in diesem Artikel und auf der offiziellen Vergleichsseite. Auf einer weiteren Seite wird dargestellt, welches Feature in welcher Version dazu kam.

Manche dieser Features können in Magento Open Source gut nachgebildet werden (über 3rd-Party-Extensions oder Eigenentwicklungen) oder sind häufig stark an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen, so dass sie die Lizenzkosten alleine nicht rechtfertigen.

Wollen Sie mehrere der folgenden Features intensiv einsetzen, dann ist das nach meiner Erfahrung ein guter Indikator Adobe Commerce intensiv in Erwägung zu ziehen, weil die Nachbildung über Extensions kostenintensiv sein kann und/oder die weitere Agilität/Updatefähigkeit durch umfangreiche Anpassungen leiden kann:

  • Admin-Bereich-User-Rechte können auf einzelne Websites eingeschränkt werden
  • B2B (falls Sie diese so benötigen, wie sie Magento implementiert hat)
  • Business Intelligence Features über das SaaS-Angebot „Magento BI“ (kann in der „Essentials“-Version jedoch auch für Open Source zugekauft werden)
  • Content Staging und Preview

Sollten Sie viele der weiteren Commerce-Features nahe am Standard nutzen, kann auch das AdobeCommerce aufgrund der schnelleren Time-to-market und leichteren Update-Fähigkeit rechtfertigen.

Hinweis

Wichtig ist für Sie die ehrliche Beratung durch Ihren zukünftigen Service-Anbieter, um richtig zu entscheiden. Offizielle Solution Partner müssen eine gewisse Anzahl an Commerce-Projekten pro Jahr verkaufen, um ihren Partner-Status zu erhalten.

Nicht-funktionale Features

Für Commerce Kunden bietet Magento einen offiziellen Support über einen eigenen Helpdesk. Um ehrlich zu sein: die Qualität des Helpdesks war in der Vergangenheit oft schwankend und rechtfertigt für mich die Kosten nicht.

Für besonders große Unternehmen mit Millionen von Kreditkarten-Transaktionen pro Jahr relevant ist auch die PCI-DSS Compliance Level 1 Zertifizierung als Solution Provider von Adobe.

Entgegen dem Eindruck den man auf der offiziellen Website bekommt kann auch diese Version selbst gehostet („On premise“) werden. Das entspricht dem „normalen“ Commerce Paket. Zusätzlich kann man auch auf das offizielle Cloud-Hosting zugreifen.

Zielgruppen für Commerce

Das Segment, das Magento mit dieser Version anspricht ist recht breit gefächert. Gary Specter von Adobe zählt dazu „Unternehmen unter einer Milliarde Umsatz“.

Cloud for Adobe Commerce

Cloud for Adobe Commerce (ehemals „Magento Enterprise Cloud Edition“, „Magento Cloud Commerce“,“Magento Commerce Cloud“) ist die Cloud-Ausgabe von Adobe Commerce und das Rundum-Paket im Portfolio. Hierbei erhält man die kostenpflichtige Version mit integriertem Cloud-Hosting und etlichen weiteren Services:

  • CDN („Content Delivery Network“) von Fastly
  • DDoS („Distributed Denial of Service“) Schutz von Fastly
  • WAF („Web Application Firewall“) von Fastly
  • New Relic APM Pro für Performance Monitoring
  • Mail-Versand über SendGrid
  • 99,99% Uptime-Garantie
  • Langzeit-Backups

Magento hat sich für diesen Dienst mit platform.sh zusammen getan und bietet eine skalierbare Lösung, die nicht auf den Produktivbetrieb beschränkt ist.

Das heißt: auch Entwicklung, Testing und die Abnahme von Änderungen erfolgen im Cloud-Verbund ohne dass ProgrammiererInnen auf ihre gewohnten Tools verzichten müssen.

Hinweis

Evaluieren Sie genau, ob die offizielle Cloud Lösung für Sie tatsächlich die beste Option ist. Ich habe selbst keine Projekte damit umgesetzt, aber es gibt einige Kritikpunkte daran.

Mit Mark Shust hat ein Community-Mitglied mit großer Reputation im November 2020 unter dem Titel „I Love Magento, But HATE Magento Cloud“ ein Video veröffentlicht, in dem problematische Punkte angesprochen werden. Wenn Sie diesen Guide zu einem späteren Zeitpunkt lesen, achten Sie bitte darauf, ob die Kritikpunkte inzwischen behoben wurden.

Ende August 2018 führte Magento zwei Varianten von Commerce Cloud ein. Auf der Preisvergleichsseite finden Sie nur noch das „Pro“-Angebot, in der Developer-Dokumentation wird aber auch noch die „Starter“-Variante aufgeführt. Hier ein paar Worte von mir dazu.

Cloud for Adobe Commerce Starter

Diese Variante enthält die Commerce-Lizenz und das Cloud-Hosting sowie die Integration von Fastly und New Relic. 24×7-Email-Support rundet das Angebot ab.

Die Starter-Edition wird in der Cloud gehostet, jedoch auf gesharten Servern und keiner dedizierten Hardware.

Achtung

Für die B2B Features muss man bei der Cloud Starter Version extra zahlen.

Viele weitere Details zu den Unterschieden zwischen Commerce Cloud Starter und Commerce Cloud Pro finden Sie auf der Seite zu Commerce Cloud Architekturen.

Cloud for Adobe Commerce Pro

Hier erhalten Sie alle Features der Starter-Version plus:

  • das SaaS-Modul Magento Business Intelligence,
  • Zugriff auf die B2B Features,
  • eine redundante Drei-Server-High-Availability-Infrastruktur mit dedizierter Hardware und
  • verstärkte Unterstützung bis zum Live-Gang.

Viele weitere Details zu den Unterschieden zwischen Commerce Cloud Starter und Commerce Cloud Pro finden Sie auf der Seite zu Commerce Cloud Architekturen.

Unterschiede zwischen den Editionen

Hier eine Auswahl von häufig thematisierten Unterschieden zwischen den Editionen. Da es kaum möglich ist, die vollständige Liste laufend aktuell zu halten, werfen Sie bitte bei Bedarf einen Blick auf die Seiten zum Feature-Vergleich Open Source und Commerce sowie der Vergleichsseite zwischen Commerce Cloud Starter und Pro.

Magento Open Source
(selbst gehostet)
Adobe Commerce
(selbst gehostet)
Cloud for Adobe Commerce StarterCloud for Adobe Commerce Pro
Funktionen
Admin-Aktivitäten-Log
Admin-User-Rechte pro Website
B2Beingeschränktumfangreiches Featureeingeschränkt umfangreiches Feature zukaufbarumfangreiches Feature
Business Intelligence (BI) Magento SaaS„Essentials“ zukaufbarBI ProBI ProBI Pro
Content Staging und Preview (Inhalte zeitgesteuert veröffentlichen)
Dynamische Blöcke, ehem. „Banner“ (= Inhalte an bestimmten Stellen für bestimmte Kundensegmente zeitgesteuert ausspielen)
Erinnerungs-Mails, zB für verwaiste Warenkörbe (Abandoned Cart Reminder Mail)
Geschenkkarte / Wert-Gutschein
Geschenklisten mit Share-Funktionalität (zB für Hochzeit, Baby, Geburtstag, …)
Google Tag Manager
Kundenattribute über Backend verwaltbar
Kundensegmentierung
Page Builder (gutes CMS)
Private Sales
Produktempfehlungen über AI (Adobe Sensei) automatisieren
Produktverwandtschaften (Cross-Selling, Up-Selling, …) über Regeln automatisieren
Retouren-Verwaltung (RMA)
Rewards (Loyalitätsprogramm mit Punkten für KundInnen)
Visual Merchandizer
Wunschlisteneinemehreremehreremehrere
Nicht-funktionale Features
Backupsvon Hoster abhängigvon Hoster abhängigManuelles DatenbackupAutomatisiertes Datenbackup
CDNkann hinzugefügt werdenkann hinzugefügt werdeninkludiertinkludiert
Deployment „einfach“von Dienstleister abhängigvon Dienstleister abhängigSetup von Magento vorgegebenSetup von Magento vorgegeben
Monitoring & Alertingvon Dienstleister und Hoster abhängigvon Dienstleister und Hoster abhängiglaut Magento „limitiert“Managed Alerts
Server Skalierung / Ressourcen-Trennungvon Hoster abhängigvon Hoster abhängigEin Server ohne Redundanz, gesharte HardwareDrei-Server-HA-Architektur mit dedizierter Hardware; global in AWS und Azure Cloud
Server Umgebungen (Test / UAT / Staging / Live)von Dienstleister und Hoster abhängigvon Dienstleister und Hoster abhängiglaut Magento „limitiert“laut Magento mehr dediziertes Staging bzw. mehrere Test/UAT-Umgebungen
Support
SupportDienstleister, HosterDienstleister, Hoster, offizieller Magento-SupportDienstleister, Hoster, offizieller Magento-SupportDienstleister, Hoster, offizieller Magento-Support
Die wichtigsten Unterschiede zwischen den Editionen

Fazit: welche Edition ist für mich die richtige?

Disclaimer

Das ist meine persönliche Meinung als jemand, der seit 2009 mit Magento arbeitet und bei einer Nicht-Magento-Partner-Agentur KundInnen verschiedener Größenordnung bis hin zu mittleren zweistelligen Millionenumsätzen pro Jahr betreut.

Jede dieser Editionen hat einen Nutzen zur bestimmte Unternehmen. Die richtige Entscheidung trifft man nur nach sorgfältiger Abwägung mit einem seriösen Partner.

Für viele KMU in Österreich und auch in Deutschland oder der Schweiz reicht Magento Open Source. Sie ist ausreichend skalierbar, um Shops mit zehntausenden Produkten und Millionenumsätzen zu betreiben, verfügt über eine gute Palette von Standard-Features und ist so wie Magento im Allgemeinen stark erweiter- und modifizierbar.

Hat Ihr Unternehmen Umsätze im eindeutigen Millionen-Bereich, wollen Sie schwerer nachzubildende Commerce-Features (siehe oben) oder viele der allgemeinen Commerce-Features „out of the box“ nutzen, haben Sie bestimmte Firmenrichtlinien die offiziellen Support und SLAs benötigen? Dann erwägen Sie die Adobe Commerce.

Ich tendiere aus zwei Gründen zur „On Premise„-Variante von Adobe Commerce, also zur selbst gehosteten Lösung. Erstens haben wir damit gute Erfahrungen gemacht und man kann seinen Hosting Partner im deutschsprachigen Bereich selbst auswählen, hat also oft einen besseren „Draht“ und Service. Solange das ein auf Magento spezialisierter Hoster ist, funktioniert das gut. Zweitens spricht das Feedback, das ich von vertrauenswürdigen Community-Mitgliedern erhalten habe, nicht für die Cloud-Variante. Ich habe jedoch selbst noch kein Projekt in Magentos Cloud Angebot umgesetzt.

2 Antworten

  1. Hi Ina,
    vielen Dank für deine Nachricht und das Lob! Leider habe ich dazu keine aktuellen Informationen. Es kann sein, dass sich das inzwischen geändert hat. Falls ich etwas dazu in Erfahrung bringe, lasse ich es dich wissen!
    LG Matthias

  2. Ina sagt:

    Hi Matthias,
    das ist ja mal eine richtig hilfreiche Seite, danke fürs Teilen! 🙂
    Ich hab eine Frage zu deiner Info, dass man BI in der Essentials Version bei der Open Source Variante zukaufen kann. Bei Adobe finde ich dazu keine Informationen. Hat sich das möglicherweise in der Zwischenzeit geändert? Wenn nicht, hast du einen Fahrplan bei der Hand, den du teilen kannst, um zu diesen BI Essentials zu kommen?
    Danke dir vorab und liebe Grüße von Wien zurück

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